EU-Fischereipolitik reloaded
30.06.2009, 10:24 Uhr
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Brüssel - Als Reaktion auf die offenkundigen Probleme der aktuellen EU-Fischereipolitik hat die Kommission ein Grünbuch veröffentlicht, welches als Grundlage für weitere Reformbemühungen dienen soll. Das Diskussionspapier, zu dem nun alle Stakeholder Stellung beziehen können, stellt zunächst die größten Probleme dar, welche die bisherige Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) von 2002 nicht zu lösen vermochte: Darunter fallen neben der immer noch immensen Überfischung (88% der EU-Bestände werden zu stark befischt) auch die notwendigen Finanzhilfen, die wirtschaftliche Anfälligkeit der Industrie, rückläufige Fänge sowie das schwerwiegende Problem der Flottenüberkapazität.
Dadurch, dass für die begrenzten Ressourcen zu viele Schiffe in der EU aktiv sind, wird die Fischerei insgesamt unrentabel, was den Druck auf die Fischer erhöht und somit illegale Fischerei und Überfischung fördert. Durch zu hoch angesetzte Fangquoten untergraben die Fischer ihre eigene wirtschaftliche Basis und fahren Verluste oder lediglich niedrige Gewinne ein. Die Fangflotten müssen also angemessen und proportional zu den Beständen in den EU-Meeren ausgerichtet werden, um eine „Wiederauffüllung der Fischbestände zum höchstmöglichen Dauerertrag“ zu gewährleisten.
Ein Lösungsvorschlag besteht darin ein marktwirtschaftliches System der Quotenzuteilung zu schaffen, sodass ein Markt für Fangrechte entsteht, auf welchem diese zwischen den Fischern gehandelt werden. Auf diese Weise könnten Betreiber die Flotten ihren Fangrechten individuell anpassen. Auch muss eine eindeutige Rangfolge der politischen Ziele in der neuen GFP erkennbar sein: Zwar spielen weiterhin Wirtschaftlichkeit und soziale Aspekte wie etwa die Beschäftigungssicherheit eine große Rolle, die beiden erstgenannten Forderungen können jedoch nicht ohne eine zufrieden stellende Bestandsproduktivität erreicht werden, die den Fischern auch sichere Fänge und damit Gewinne verspricht.
Zum Abbau von Verwaltungslasten und um auf aktuelle Veränderungen schneller reagieren zu können, soll der Rat als höchstes politisches Gremium Kompetenzen an ein regionales Management oder eigens dafür eingerichtete Ausschüsse abtreten. Bisher werden sämtliche Entscheidungen vom Rat selbst getroffen, der seine Anstrengungen demzufolge häufig auf kurzfristige Überlegungen richten muss und sich nicht auf die Festsetzung wesentlicher langfristiger Grundsätze richten kann.
Um die neue GFP effektiv durchsetzen zu können, müssen Fischerei, Verarbeitungsindustrie und Verbraucher dazu motiviert werden, die Politik zu unterstützen und Verantwortung für die wirksame Verwirklichung zu übernehmen.
Das bisherige Top-down-Konzept wurde der Fischereiwirtschaft quasi aufgezwungen und konnte nur durch teure Kontrollsysteme durchgesetzt werden. Im neuen Grünbuch schlägt die Kommission vor, den Fischern mehr Verantwortung zu übertragen: Anstatt vorzuschreiben, wie im Detail ein Fisch zu fangen ist, sollen sich die neuen Regelungen auf das Ergebnis konzentrieren und die Durchführung der Fischereiwirtschaft überlassen werden. Auf diesem Wege können die wirtschaftlich und technisch besten Lösungen erarbeitet werden, die zusätzlich unmittelbar einem Praxistest unterzogen werden. Im Gegenzug würde die Beweislast umgekehrt und die Fischer in die Pflicht nehmen, das Zugeständnis des selbstständigen Managements mit verantwortungsvollem Handeln zurückzuzahlen.
Des Weiteren soll die zukünftige Fischereipolitik der bisherigen Rückwurfpraxis ein Ende bereiten. Im Moment müssen von der Norm abweichende Fische oder solche, die die Quote übersteigen, über Bord geworfen werden. Dies ist nicht nur eine akute Verschwendung der begrenzten Ressource Fisch, sondern gefährdet auch langfristig eine stabile Bestandsproduktivität. Als Lösungsansatz für dieses Problem führt die Kommission ein Management auf Grundlage des Fischereiaufwands an, welches etwa in Form einer Begrenzung der Tage auf See eines Schiffes bestehen könnte. Anstatt abhängig von zugeteilten Fangquoten zu fischen und womöglich in die Situation zu kommen, ein Zuviel einer Fischart zurückwerfen zu müssen, würden also jedem Schiff Seetage zugewiesen.
Das von der Kommission herausgegebene Grünbuch soll der Anstoß einer europaweiten Diskussion zur neuen Gemeinsamen Fischereipolitik sein. Meinungen aus Politik sowie von Interessenvertretern und Verbrauchern sollen im Folgenden zusammengefasst werden, um bei der 2013 fälligen Neuauflage der GFP ein optimales Ergebnis zu erzielen.